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ARTikel zur Erhellung des aktuellen Beuys Kontextes

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ARTikel zur Erhellung des aktuellen Beuys Kontextes

Zum Hintergrund hier für meine Leser einige kopierte Artikel zu Beuys und entsprechende Links als Vorbereitung für KeTaN`s “WeckReise” nach Berlin. Die beiden ARTikel sind aus der Süddeutschen Zeitung.
Zum 20. Todestag von Joseph Beuys

Die Revolution war er

Wie konnte es passieren, dass ein Künstler, der neben Warhol als der bedeutendste der gesamten Kunstwelt galt, so sehr in Vergessenheit geriet? Zwanzig Jahre nach seinem Tod ist es still geworden um Joseph Beuys. Zu still.
Von Holger Liebs


Joseph Beuys: Der Name klingt nach einer längst vergessenen Zeit. Die Zeit der alten Bundesrepublik, in der die „vaterlose Gesellschaft“ in schlichter, gestenarmer Bürgerlichkeit aus der Geschichte aufbrach zu neuem Wohlstand. Einem Wohlstand, der erkauft war mit einer vor allem aufs Wirtschaftliche konzentrierten Rationalität – und mit einem umfassenden Gedächtnisverlust.

Vielleicht ist das prägendste Staats- und Statussymbol jener Zeit die D-Mark, welche genauso im Orkus der Geschichte verschwunden ist wie die alte BRD. Der Kriegsteilnehmer Beuys, dessen Lebensdaten ziemlich genau denen der Flakhelfer- und Aufbaugeneration entsprechen, starb Jahre vor der Wiedervereinigung, am 23. Januar 1986. Sein Name scheint heute, anders als damals, kaum noch jemanden aufzuregen – wie ja auch andere umstrittene Lichtgestalten der alten Republik, Rainer Werner Fassbinder oder Heiner Müller, wohl längst zum eingemeindeten und damit auch befriedeten Kulturgut gehören.

Zwei Fragen stellen sich 20 Jahre nach seinem Tod vor allem. Erstens: Wie konnte es passieren, dass ein Künstler, der einst neben Warhol als der bedeutendste und schillerndste der gesamten Kunstwelt galt – und noch dazu als sehr deutsch –, so sehr in Vergessenheit geriet? So dass noch heute, zum runden Todestag, gerade mal eine Hand voll kleinerer, immerhin verdienstvoller Kabinettsausstellungen und Veranstaltungen an ihn zu erinnern vermag? Es hat seit den Neunzigern hierzulande keine große Retrospektive zu Beuys’ Werk stattgefunden. Zuletzt widmeten ihm die Tate Modern und die Schirn größere Schauen.

Und zweitens: Wie hat einer wie Beuys damals, mit Fett und Filz, mit Honigpumpe und Heizaggregaten, mit Losungen wie dem „erweiterten Kunstbegriff“ und „Jeder Mensch ein Künstler“ zur Symbolfigur der Nachkriegskultur aufsteigen können? So dass er, einerseits, eine Heerschar von Evangelisten auf den Plan rief, die ihm als Vaterersatz bedingungslos zugetan waren? Und dass er, andererseits, heftigste Ablehnung provozierte? So dass man bald meinte, am Streit um Beuys würde sich das Schicksal des jungen Kulturstaates entscheiden?

Vielleicht war es ja wirklich so, dass Beuys wie kaum ein anderer Künstler seiner Zeit Sehnsüchte und Abscheu auf sich zog und auch bediente: weil er es in einem Zeitalter metaphysischer Obdachlosigkeit wagte, sich als Heiland aufzuspielen. Er begriff sich tatsächlich als Salvator: Mit seinem utopischen Entwurf der Gesellschaft als „sozialer Plastik“, in der jeder seine Kreativität frei entfalten dürfe, ließ er das Ideengut vergangener Epochen wieder aufleben – vom Sonnenstaat bis zum Wagner’schen Gesamtkunstwerk.

Der Wanderprediger Beuys war ein selbsterklärter Versöhner, ein „transzendentaler Arzt“ (Novalis). Er versuchte, eine zwischen Rationalitätsprinzip und Vaterlosigkeit zutiefst zerrissene Generation in eine Art geistiges Paradies zu führen – und übernahm damit frühromantische Vorstellungen einer ursprünglichen Einheit, die es wiederherzustellen gelte.

Den Vergleich mit Christus zog er selbst; dazu kam der von ihm selbst überlieferte Ursprungsmythos seiner Kunst, der Absturz als Stukaflieger auf der Krim sowie die Pflege der Tartaren, die den Todkranken in Fett und Filz eingewickelt haben sollen. Aus dieser Künstleranekdote speisen sich die Wärme- und Kältesymbole in seinen späteren Raumarbeiten und Aktionen: flüssiges Fett, Filz, Brot oder Honig als Wärmepole und als geistige Nahrung – und, auf der anderen Seite, die vielen Sinnbilder der Kälte, also des rationalen Denkens, des Materialismus, des Todes.

Die Installation „Zeige deine Wunde“, die in München Ende der Siebziger einen beispiellosen Kunststreit hervorrief, ist so ein Sinnbild, mit den jeweils zwei Leichenbahren, Amselschädeln, Forken und Tuchfetzen. „Graue Elendskunst“ hat man das genannt – immerhin: Ebenjenes Elend, eine auch politische Entzweiung der Gesellschaft, fand sich hier ja gerade in erbarmungsloser Tristesse veranschaulicht.

Diese Entzweiung des angeblich lädierten Menschen sollte „geheilt“ werden durch die Vermittlungsarbeit des Künstlers selbst – daher auch die Redseligkeit von Beuys. Auch hierfür, für die Kommunikation und Sendung fand er Symbole, Bilder elektrischer Ströme: die zahllosen Aggregate, Batterien, Telefone oder das leitende Kupfer seines Hoheitszeichens, des „Eurasienstabes“.

Es ist der avantgardistische Gedanke der Erlösung der Welt durch Kunst, den Beuys in seinem Leben wie Schaffen fortschrieb: die Idee einer ästhetisch-ethischen Durchbildung der Gesellschaft, vermittelt durch Heilssymbole, durch Gründung von Institutionen, durch Vorträge und Aktionen. Damit rief Beuys nicht nur eine in ihrer Wortfülle sprachlose Bewunderung hervor, sondern auch Widerspruch. An ihm rieb sich ein Unwohlsein, das einem bürgerlichen Milieu insgesamt galt, welches nach dem Krieg den Schalter einfach von Hitler auf Jesus umgelegt hatte. Seine härtesten Kritiker hielten ihm gar vor, sich durch die Absturz-Episode der Tätergeneration entziehen zu wollen.

Daran ist zumindest wahr, dass Beuys mit seinen mythologischen und alchimistischen Anleihen sich aus der geschichtlichen in eine zyklische Zeit verabschiedete, mit immer wiederkehrenden Symbolen eines zukünftigen Paradieses. Doch hielt er gleichzeitig, auch in aktuellen Bezugnahmen etwa auf die RAF, das deutsche Geschichtsbewusstsein wach.

In den Augen seiner Jünger blieb er eine Art Messias. Mehr noch: Zu Zeiten seines Todes galt Beuys als Künstlergenie schlechthin – obwohl er doch den Kunstbegriff in Deutschland entgrenzt hatte wie kaum ein anderer. Die Wehklagen nahmen damals Züge einer griechischen Tragödie an. Er habe das Museum insgesamt auf die Probe gestellt, rief man ihm nach. Würden seine Werke dort endgelagert, ins Licht historischer Vergleichbarkeit gestellt, so warnten manche, würden sie endgültig verstummen: weil ihnen ihr Verlebendiger nun fehlen würde.

Verzweifelt versuchte man, Werk und Leben von Beuys auch nach dessen Tod zu verklammern. Die Hoffnung sollte sich nicht erfüllen. Das sprechendste Beispiel war die Retrospektive im Berliner Martin-Gropius-Bau zwei Jahre nach Beuys’ Tod: Während der Meister selbst in Katalogtexten als „homo religiosus“ verklärt wurde, befanden sich die plastischen Arbeiten, so ein Kritiker, auf dem „geordneten Rückzug ins Museum“. Von bloßem Gerümpel der ihres Kontextes entledigten Kunst sprachen auf einmal die Evangelisten – konservative Kritiker frohlockten, endlich können man Beuys, Friede seiner Asche, als Bildhauer und Zeichner ernst nehmen.

Das ist ein zentraler Widerspruch des Beuys’schen Werkes, der bis heute unaufgelöst blieb: Hier die Raumarbeiten und Zeichnungen als Ruinen seiner dynamischen Weltauffassung – Beuys hat übrigens bezeichnenderweise Museumsankäufe immer wieder unterstützt und gefördert –, und dort die Heiligenfigur.

Beuys’ Arbeiten, die in vielen Sammlungen hierzulande erlebbar sind, haben mittlerweile einen festeren Aggregatzustand erreicht. Damit wird man sich abfinden müssen. Eine neue Künstlergeneration ist spätestens in den Achtzigern angetreten, sein Werk so frech wie unbefangen als Werkzeugkiste zu benutzen, die Formensprache der Ruinen zu plündern. Dass dies alles einmal Heilssymbole eines Erlösungsversprechens waren, kümmert sie wenig.

Und warum auch? Wir haben kein Wirtschaftswunder und auch keinen „Muff von tausend Jahren“ mehr, wir haben Hartz IV und Guido Knopp. Doch wir haben, andererseits, auch ein Werk, das noch als Ruine mächtiger scheint als so manches Zeitgenössische. Jetzt muss sich nur ein Museum trauen, endlich einmal die ganzen Trümmer einzusammeln.

Ausstellungen und Veranstaltungen: „Lebenslauf=Werklauf“, Hamburger Bahnhof Berlin, bis 23. April. „Heilkräfte der Kunst“, museum kunst palast Düsseldorf, bis 19. März. „Suite Schwurhand“, Pinakothek der Moderne München, bis 23. April. „Zeichen aus dem Braunraum“, Kunstmueum Bonn, bis 12. Februar. Am 12. Februar: Eröffnung des Beuys-Dokumentationsraumes, Palais Spree Düsseldorf. „Zum 20. Todestag“, Jubiläumsprogramm, Schloss Moyland Kleve, 21. bis 23. Januar. „Lange Beuys-Nacht“, Akademie der Künste Berlin, 23. Januar.

17.01.2009   05:00 Uhr Drucken
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Eva Beuys Künstler-Witwe und Hüterin des Nachlasses

Witwen berühmter Männer genießen nicht gerade den besten Ruf. Sie gelten als streitbar, klagefreudig und als allzu eifrige Gralswächterinnen des Lebenswerks ihrer verstorbenen Gatten. Als beispielhaft für das zweifelhafte Image der Künstler-Witwen können ein paar böse Zeilen des französischen Dramatikers André Roussin gelten: “Das allerschlimmste Weib, das Gott im Zorn erschuf, . . . die Witwe von Beruf.” Doch die 75-jährige Eva Beuys, deren Mann, der Künstler Joseph Beuys, im Jahr 1986 starb, hat sich ihr Schicksal – und ihren Ruf – nicht aussuchen können. “Wir haben 1959 geheiratet, und wir haben ein anstrengendes Leben geführt”, sagt sie, “entscheidend war, dass er sich an meiner Seite frei entfalten konnte.”

Schon kurz nach Beuys” Tod sah sie sich, noch am Boden zerstört, mit jeder Menge offener Sammler-Rechnungen konfrontiert, mit Fälschungen – und, als Alleinerbin, mit einem immensen Nachlass, den es zu erfassen galt. Der Schamane mit dem Filzanzug, der den “Erweiterten Kunstbegriff” erfand und derzeit in einer großartigen Retrospektive in Berlin gefeiert wird, hatte ein schier unüberschaubares êuvre erschaffen, von Großskulpturen über Performances bis zum winzigsten Multiple-Objekt.

Seit 23 Jahren zieht die extrem öffentlichkeitsscheue Eva Beuys, von der es keine neuen Fotos gibt, und die mit ihren Kindern Jessyka und Wenzel den Nachlass betreut, nun schon für die Urheberrechte der Kunst ihres Mannes zu Felde – und musste auch schon mehrmals wegen des Vorwurfs, Beuys sei Antisemit gewesen, prozessieren. “Mein Mann war von der Katastrophe von Auschwitz geprägt”, sagt sie dazu. Als die Beuys-Sammler Franz Joseph van der Grinten und sein inzwischen verstorbener Bruder Hans im Jahr 1997 das von Nordrhein-Westfalen geförderte Museum Schloss Moyland in Bedburg-Hau bei Kleve mit ihrer Kollektion eröffneten, zogen sie Eva Beuys weder im Vorfeld zu Rate, noch luden sie zur Eröffnung ein.

Mehr noch: “Frau Beuys hat Rechtstitel, aber die haben nichts mit ihrer Sachkenntnis zu tun”, kanzelte Hans van der Grinten die Witwe ab. Die Museums-Stifter taten selbst jedoch nichts, um ihre eigene Kompetenz als Museums-Verwalter unter Beweis zu stellen. Materialien in Beuys-Werken wurden nonchalant durch andere ersetzt. Von Schloss Moyland initiierte Ausstellungen scheiterten, so der Familienanwalt Gerhard Pfennig, an der Frage, ob alle Werke Originale seien. Das Zehn-Jahres-Jubiläum des Museums wurde nicht begangen – Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, CDU, war ausgeladen worden und sagte die Veranstaltung daraufhin ab.

Schon länger gewinnt man den Eindruck, das Land NRW wolle den Problemfall Moyland aussitzen. Nun zog Eva Beuys endgültig die Reißleine: Sie fordert die Herausgabe zahlreicher Werke, die Beuys den Brüdern van der Grinten zu Lebzeiten zwar anvertraut, aber nie verkauft habe – sowie Teile des “Joseph-Beuys-Archivs”, die nie ins Eigentum der Stiftung übergegangen seien. Die Konvolute sollen in eine neu zu gründende Einrichtung in Düsseldorf eingebracht werden. Holger Liebs

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